Potsdamer Mitte spontan neu denken

Am Freitag (8.4.2016) moderierte ich, wie jeden 2. Freitag im Monat, die Impropedia im Studentischen Kulturzentrum in Potsdam. Die Idee des Formates ist es Improtheater mit einem Experteninterview zu verbinden. Diesmal hatte ich das Vergnügen Frauke Röth zu interviewen, die die Sprecherin der Bürgerinitiative Potsdamer Mitte neu denken ist. Die Initiative setzt sich dafür ein, dass die Meinung der Bevölkerung zu den Nutzungsplänen für die Innenstadt Potsdam eingeholt und beachtet wird.

Die Pläne für die Innenstadt bestehen momentan daraus, dass man die Bauten der Moderne (also alles was nach 1945 in der DDR gebaut wurde) abreißt und durch historisierende Neubauten bzw. grüne Wiese ersetzt. Das Potsdam diesen Weg seit Jahren geht, sieht man am eindrucksvollsten am völlig neu gebauten Stadtschloss. Mich ärgert an dieser Art von Politik, die auch in Berlin seit Jahren so betrieben wird, dass sie versucht eine abgerissene historische Bebauung durch das Abreißen einer historischen Bebauung wieder herzustellen. Hier wird meines Erachtens genau der zu Recht kritisierte Fehler der DDR-Baupolitik unter neuen Zeichen wiederholt. Die Folgen dieses Handelns sind aber nicht nur das Verwischen von 40 Jahren DDR-Geschichte sondern auch irreparable Einschnitte in die dort vorhandenen sozialen Milieus.

Besonders im Innenstadtbreich fehlen erschwingliche Wohnungen und auch Gewerberäume. Der Wohnungsmarkt in Potsdam ist in vielen Teilen härter als in Berlin. Günstige Plattenbauwohungen im Innenstadtbereich durch Eigentumswohnungen zu ersetzen, ist dabei keine Alternative. Deshalb wirbt die Initiative für den Erhalt und alternative Ideen.

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After-Show-Foto der Impropedia am 8.4.2016. V.l.n.r.: Expertin Frauke Röth, Klaudia (All in), Thomas Jäkel (ich), Silvi (All in) und Musiker Henning Flintholm.

Beim vorwiegend studentischen und sicher auch alternativen Publikum der Impropedia kam das Thema gut an. Hinterher wurden auch gleich die ersten Unterschriften geleistet, denn die Initiative will bis zum Beginn der Sommerpause mindestens 13.566 Unterschriften der Stadt vorlegen, damit über die bereits geplanten Abrisse neue nachgedacht werden kann. Die einzigen, die sich mit dem Thema schwer taten, waren die beiden eingeladenen Improspielerinnen von „All in“ aus Wiesbaden und Darmstadt. Aber nicht, weil ihnen die Nachkriegsmoderne in der Innenstadt von Potsdam egal war, sondern weil sie diese noch nie gesehen hatten… Dabei war es unheimlich amüsant zu sehen, wie sie sich aus den Informationen des Interviews bedienten und das beste daraus machten.

Wer mehr wissen will über die Bürgerinitiative:

www.potsdamermitteneudenken.de

Tabus im Improtheater

Die schweizer Kollegen von anundpfirsisch schreiben in ihrem Blog in letzter Zeit höchst interessante Beiträge zum Improvisationstheater. Der letzte Beitrag von Simone Schwegler „Tabus im Improtheater?“ wirft die spannende Frage nach dem Umgang mit Tabuthemen auf. Gibt es tatsächlich Tabuthemen?

Wenn man beim ImproTHEATER das Theater groß schreibt, dann gibt es im Grunde keine Tabuthemen, denn warum sollte in einem öffentlichen-künstlerischen Kontext, wie es das Theater ist, nicht jedes Thema angefasst werden? Jedes Thema, was Menschen aktuell bewegt, sollte Inhalt von Geschichten sein können.

Warum ist diese Sache aber so schwerwiegend für das improvisierte Theater? Im Gegensatz zum klassischen Theater liegt die inhaltliche Verantwortung nicht bei Autoren, Dramaturgen und Regisseuren, sondern bei den SpielerInnen auf der Bühne. Damit wird das Geschehen direkt auf die Entscheidungen die SpielenrInnen zurückgeworfen und fast automatisch mit deren Haltungen verknüpft. Das dies den ImprospielerInnen bewußt ist, erkennt man oft daran, wenn es in Szenen und Geschichten einfach keinen Antagonisten gibt, weil niemand fies sein will. Werden Tabuthemen angesprochen und ausgespielt, besonders in kontroverser Weise, hinterlässt dies oft den Beigeschmack, dass sich die SpielerInnen damit gemein gemacht hätten. Und es fällt immer wieder auf, dass manche Zuschauer tatsächlich nicht zwischen Rolle und Person unterscheiden können. Was also tun?

Mit dem Theater ohne Probe durfte ich nun seit fast 3 Jahren Erfahrungen mit unserem Format „Im Sinne von Brecht“ sammeln. Hier improvisieren wir episches Theater, nach Bertolt Brechts Theorie. Wir fragen zu Beginn stets nach einem aktuellen Thema, welches die Menschen im Raum beschäftigt und haben daher immer wieder politische und kontroverse Vorgaben für unsere Langform. Was uns die Sicherheit gibt, diese Themen anfassen zu können, ist der explizite Unterschied zwischen Drinnen und Draußen. Wenn eine SpielerInn es für notwendig hält auszusteigen, vor die Bühne zu treten und sich zum Gespielten zu positionieren, kann sie das jeder Zeit tun. Schon öfter habe ich als Spieler mich von klischeehaften, bösartigen oder perfiden Figuren bzw. Handlungen distanziert, was mir persönlich die Freiheit gibt, noch tiefer einzusteigen.

In den Kommentaren auf Facebook wurde aber hochgehalten, dass ein Kunstwerk für sich stehen müsse. Das Bezog sich direkt auf den Artikel von anundpfirsisch, in dem ein Spieler eine Szene kommentierte, weil er deren inhaltliche Aussage nicht so stehen lassen wollte. Da stimme ich zu, schließe aber für die Improvisation etwas anders. Die Kunst der Improvisation auf dem Theater ist wie Simone so schön schreibt: „… immer Begegnung. Begegnung mit mir selber. Begegnung mit meinen Partnern. Begegnung mit Dingen, die mir und anderen Angst machen, die mich und andere beschäftigen. Heikle und politisch relevante Dinge gehören dazu.“ Dieser Aufzählung würde ich noch hinzufügen, dass es auch die Begegnung mit dem Publikum ist. Und im Gegensatz zu anderen Theaterformen, ist das Publikum in der Regel bei der Improvisation Teil des Schaffensprozesses. Hier kommt die Vorgabe her und auf der Bühne wird diese verarbeitet, kommentiert und gedeutet in einer Form dargestellt. Daher kann sie auch kommentiert werden, unfertig bleiben, scheitern und noch vieles mehr. Nur sollte das Publikum nicht aus dem Prozess entbunden werden und hinterher sagen können – damit haben wir nichts zu tun. Wenn es aber zum Denken angeregt wurde, weil es das Entstandene liebte, mochte, hasste usw. dann haben wir Relevanz erzeugt.

Drei Tage Amtshilfe in Schwerin

Das Ministerium für Satz, Bau und Zeichen kurz MfSBZ ist DIE Lesebühne in der Landeshauptstadt Schwerin. Mit drei aufeinander folgenden Abenden im Rahmen des Sommertheaters gibt es vom 13.-15. August 2015 offizielle Sprechstunden für die Schweriner Bevölkerung und natürlich auch für alle Feriengäste.

Da in der Urlaubszeit die Personaldecke wie in jedem Ministerium dünn ist, springe ich, gesendet vom Theater ohne Probe, gern als spontane Unterstützung aus der Hauptstadt ein. Was dort mit Textbausteinen und Formulierungsrichtlinien unter größten Mühen an Sprachgewalt produziert wird, werde ich mit spontanener Wörterwürfelei und leichtfüßigem Geschwafel auf ToP-Niveau unterstützen.

Nur an drei Abenden! 13., 14. & 15. August 2015.
jeweils ab 20 Uhr im werk3 (Domwinkel/Schwerin)

Hier findet man die Links, um sich schon einmal eine Wartenummer zu ziehen:

Der Auftrittsort, Servicestelle (Das Werk3 in Schwerin): www.klangwert.net/werk3-theater
werk3, Friedrichstr. 11 – Domwinkel, Schwerin
Telefon 0385 59 58 75 44 (Di. – Fr. 11- 17 Uhr & Sa. 11 – 15 Uhr)

Die offizielle Behördenseite: www.mfsbz.de

Facebook: www.facebook.com/mfsbz

Wie Impro aus dem Nebel des Unbekannten hilft

Da spiele und unterrichte ich seit Jahren Impro und versuche für mich und die Schüler immer wieder Situationen zu erzeugen, in denen keiner einen Plan hat, wie es weiter geht – weil dann brauchen wir die Improvisation. Oft wird das von anderen Improlehrern (und auch mir) als „überrasche Dich selbst“ beschrieben. Am Anfang macht einem das Angst und dann lernt man damit auf der Bühne umzugehen, weil man immer wieder die Erfahrung macht, dass es doch irgendwie weiter geht. Man muss nur „Ja, und …“ sagen und sich einlassen auf die Situation. Und dann ist man erstaunt und glücklich, dass man gemeinsam mit den Kollegen etwas völlig Unerwartetes gefunden hat.

Bisher hatte ich keinen Namen für diesen Zustand (oder je darüber nachgedacht, dass man ihn benennen könnte). Uri Alon hat diesem Zustand des „Ich weiß nicht wie oder wohin es weiter gehen soll“ den Begriff Wolke (Cloud) bzw. „in der Wolke sein“ gegeben – gar nicht schlecht. Vielleicht trifft es aber im Deutschen der Begriff Nebel besser?

Wir befinden uns im Nebel und sehen nicht wohin es weiter gehen soll. Auf der Bühne kein Problem, denn im schlimmsten Fall reißt man die Arme in die Luft, winkt das Licht aus und geht ab. In der Forschung, aus der Alon kommt, geht das nicht – aber mittels Improvisation kann man mit diesem Zustand umgehen lernen. Aber was schreib ich das alles auf – einfach den Talk anschauen!

Improtheater beim Greizer Theaterherbst

Meine Theaterwurzeln liegen beim Greizer Theaterherbst. In diesem multikulturellen Theaterfestival habe ich auf der Bühne „laufen gelernt“. Daher freue ich mich sehr, dass ich in diesem Jahr wieder eine Werkstatt leiten darf – die letzte ist bereits 12 Jahre her. Und noch mehr freue ich mich, dass die Werkstatt für Improvisationstheater sein wird.

Los geht es am Montag in Greiz. Um 18 Uhr werde ich sehen, wer da ist und was wir in den ersten 3 Stunden anfangen werden. Ich plane erst einmal alle willkommen zu heißen und dann nach und nach eine stabile Gruppe aufzubauen. Im September soll diese dann im Rahmen der Festivalwoche das Erlernte auf die Bühne bringen.

Mal sehen wie es läuft. In den letzten Wochen habe ich mein kleines Blog hier sehr vernachlässigt, auch Impro-News und die Podcastprojekte leiden. Jedoch will ich über die fast 2 Monate Theaterherbst etwas ausführlicher schreiben. Vielleicht nicht täglich – aber doch immer wieder den Aufbau und die Veränderungen in der Gruppe beschreiben. Denn so intensiv (täglich) und so lang (6-7 Wochen) habe ich noch nie eine Gruppe aufgebaut. Das ist wirklich AUFREGEND!

Wer in Greiz oder Umgebung wohnt und Lust hat Improvisationstheater auszuprobieren, hat jetzt die Gelegenheit.

www.theaterherbst.de

Schießen und Scheitern

Die Kunst der Improvisation hat stets mit Scheitern zu tun. Wer nichts wagt, kommt nicht zu neuen Ufern und latscht letztlich nur auf ausgetretenen Pfaden der Masse hinterher. Aber abseits der erkundeten Wege gibt es Unwegbarkeiten, die einen vom erreichen eines Ziels abhalten oder den Prozess unerträglich schwer machen.

ToP Western

ToP Western „Frontiers“ beim Karlsruher Improfestival von Serviervorschlag / Foto: Serviervorschlag

In Karlsruhe stand ich am letzten Wochenende mit meinem Kollegen vom Theater ohne Probe auf der Festivalbühne von Serviervorschlag und wir versuchten uns an unserem neustem Kind: „Frontiers – der improvisierte ToP-Western“. Die Idee dieses Improformats ist es nicht nur einen Western auf die Bühne zu bringen und zwar improvisiert. Nein wir haben uns gleich vier Subgenres des Westerns angesehen und versucht diese auch noch zu spielen. Damit war es uns aber noch immer nicht genug und wir versuchten auch noch alle samt die Musik zu gestalten, anstatt uns auf einen Musiker zu verlassen.

Große Ziele mit hohem Anspruch, die wir bei weitem nicht erreichten konnten. Warum auch? Schließlich ist alles improvisiert und verlangt nach dem Risiko des Scheiterns, dem Versuchs mit offenem Ausgang. Aber gut fühlt man sich nach solch einer Show nicht. Man ärgert sich, will es besser haben, besser machen. Doch es gibt kein Zurück!

Und die erste Reaktion ist: Man müsse sich einfach besser vorbereiten, mehr trainieren, detaillierter absprechen und genauer planen. Erst im Nachhinein, am nächsten Tag weiß man, dass Neues einen Preis kostet. Das man bei der Improvisation nie auf Sicherheit spielen kann. Und dann muss man mitunter seine Wut herunter schlucken und die Kollegen – diese Genies, Künstler und wunderbaren Menschen – umarmen und es wieder versuchen!

Tägliche Dosis Impro – Blogprojekt

Seit einigen Monaten habe ich mein Limit bei den Ironbloggern erreicht. Das heißt, ich hatte über die Zeit in 5 Wochen keinen Artikel hier veröffentlicht und wurde suspendiert, da ich die Strafe nicht gezahlt habe. Also ich tauche bei den Ironbloggern zurzeit nicht auf, bis ich bei einem Bieretrinkevent meine Schulden begleiche. Denn das Motto der Ironblogger ist schließlich: Blog und Bier, das lob ich mir!

Nun wälze ich seit einigen Tagen den Gedanken, dass man mal wieder ein Projekt anfangen könnte. So ein wöchentliches oder gar tägliches Blogprojekt zu einem Thema. Gern würde ich über Impro bloggen, was mich täglich beschäftigt. Denn ich glaube es war Lee Withe, der mir mal in einem Gespräch sagte, dass wenn man ernsthaft Impro betreibt, man jeden Tag damit zu tun hat oder darüber nachdenkt. Mein Gefühl ist, dass es mir so geht. Aber die Wissenschaft lehrt uns, dass nur Beobachtung und Protokollierung zu belastbaren Ergebnissen führt.

Ich hätte ja große Lust vom 15. Mai bis zum 15. Juni meine täglichen Improaktivitäten aufzuschreiben. Vielleicht nicht täglich, aber alle paar Tage einen kurzen Abriss wiederzugeben. In diesen 4 Wochen habe nicht besonders viel Zeit – nicht mehr als sonst- weswegen es nur kurze Notizen sein können. Ich werde meinen Umzug Anfang Juli vorbereiten müssen, die Steuer für 2014 abschließen und eine ganze Menge Museums- und Stadtführungen halten. Deshalb frage ich mich aber, ob dabei das Thema Impro hinten runter fällt.

Vielleicht bin ich aber auch nicht alleine?
Wer von meinen geschätzten Improkollegen hätte ggf. Lust an diesem Experiment teilzunehmen? Wer würde mitbloggen oder seine tägliche Dosis Impro auf Facebook veröffentlichen?
(So, damit hätte ich heute auch schon über Impro nachgedacht – oder zumindest über das Nachdenken über Impro nachgedacht 😉

Frontiers – Warum sollte man noch Western spielen?

Morgen improvisiere ich mit meinen Kollegen vom Theater ohne Probe die Premiere zu unserem neuen Format: Frontiers! Wir versuchen uns in diesem Format an der stilistischen Bandbreite des Western. Von klassischem Western über den Italowestern und Karl May bis hin zum Neo-Western wollen wir uns an den Unterschieden und Gemeinsamkeiten versuchen.

Aber Warum? Warum will man heute im Theater sich einen Western ansehen und das auch noch improvisiert? Mich persönlich interessieren die Fragen im Western mehr, als die Klischees um breitbeinige Cowboys. Der Western feiert schließlich anfänglich den Gründungsmythos der USA, mit dem Abenteuergeist, der die Grenzen heldenhaft immer weiter gen Westen verschiebt. Aber das sind oft nur Mythen, die bewusst oder unbewusst falsch gelesen werden, womit die Western aus Italien und dann später auch aus den Staaten brechen. Heute beschäftigen sich neuere Western oft mit bisher unerzählten Geschichten und unbequemen Wahrheiten. Plötzlich ist vom Genozid an den Ureinwohnern die Rede oder von den Ängsten und Entbehrungen der weißen Siedler im wahrlich wilden Westen.

Aber egal aus welchem Jahrzehnt ein Western stammt oder ob er vor oder hinter dem Eisernen Vorhang entstanden ist, gemeinsam sind ihnen die Frontiers. Diese imaginären Grenzen, welche die stetigen Veränderungen im Westen anzeigen. Da sind Weiße, dort noch nicht, hier gibt es die Eisenbahn, dort nur die Postkutsche, da herrscht noch Wildnis und hier wird bereits das Recht an den Meistbietenden verkauft. Der Westen der USA war in kürzester Zeit von Vielzahl von Veränderungen und Wandlungen betroffen. Sicher nicht in diesem Ausmaß, aber dennoch stehen wir auch heute vielen Veränderungen gegenüber und müssen uns entscheiden. Daher denke ich, dass uns ein Western, improvisiert und auf einer Bühne, heute eine Menge zu sagen haben kann.

Ob wir morgen vieles zu sagen haben, werden wir sehen müssen. Aber wenn wir es nicht versuchen, werden wir es auch nicht herausfinden. Ich bin gespannt!

Di, 28. April 2015, 20:00 / Berlin
PREMIERE: Frontiers – der ToP Western
Ort: Brotfabrik Berlin, Caligariplatz 1, 13086 Berlin