Wenn ich ehrlich bin, dann mag ich kein Varieté. Mich stört, dass oft einfach nur eine Nummer an die andere gereiht wird, ohne Zusammenhang, alles mehr Leistungsschau als Unterhaltung und wenn man Pech hat, wird das Ganze noch übertrieben schrill von einem Moderator übergelitten. Daher hatte ich auch Bauchschmerzen, als mich das Chamäleon Theater in Berlin zu ihrer neuen Show Beyond eingeladen hatte. (Wie ich zu dieser Ehre gekommen bin, habe ich hier ausführlich beschrieben.) Nun bin ich aber froh, doch sehr positiv über diesen Abend schreiben zu können, denn die Show Beyond war gut.
Beyond kann unter anderem „jenseits“ oder auch „darüber hinaus“ bedeuten. Für die australische Truppe Circa um Regisseur Yaron Lifschitz bedeutet es auf alle Fälle auch „in Übersee“. Aber warum waren die Australier nun gut? Sie ließen als Erstes die Moderation weg und schafften es die einzelnen Bestandteile durch kleine bis weilen sehr witzige Aktionen zu verbinden. Dabei finden immer wieder riesige Hasenplüschköpfe Verwendung. Sie erzählen aber keine Geschichte. Vorher hatte ich zwar irgendetwas von Alice im Wunderland gelesen, aber das bleibt nur in Sachen Nagetier Zitat.
Wenn ich meckern wollen würde, dann genau hier: Warum gibt es so wenig Geschichten im Varieté? Warum kein Mut zu einer Handlung? Niemand verlangt vielschichtige Charaktere, die in parallelen Handlungssträngen Philosophische Fragen von allen Seiten beleuchten. Aber eine kleine, dünne Handlung? Ja, dafür müßte man die ein oder andere Nummer umdeuten oder rauswerfen. Wie schwer das mit Akrobaten ist, weiß ich genau, aber das ist kein Grund es nicht zu versuchen. Zumal wenn da ein Ensemble auf der Bühne steht. Aber keine Angst, ich konnte den Abend genießen, weil es doch immer wieder kleine Geschichten und Menschlichkeiten gab.
Die gezeigte Akrobatik ist schön, zum Staunen gekonnt, was für Könner und Könnerinnen auf ihrem Gebiet. Es macht einfach Spaß diesen Akrobaten zu zuschauen. Es werden hohe und Höchstleistungen geboten, die aber nie angestrengt wirken und immer noch ironisch einen drauf setzen. Schönheit und Ästethik stehen im Vordergrund und das kommt auch an. Viele Münder sind offen, als zum Beispiel mitten im Saal am Seil der Liebe nach „geturnt“ wird (wenn für meinen Geschmack da aber etwas zu hektisch). Und es wird gelacht – laut und leise. Manchmal über witzigen Klamauk, manchmal über großen Humor. Eine unterhaltsame Mischung.
Dieser Abend war ein guter und sehr unterhaltsam. Er war zutiefst inspiriert vom Cirque Nouveau, voller kleiner Geschichten, wenn auch ohne eine Große. Intelligente, beeindruckende Unterhaltung, die mich verführt hat und die ich auch guten Gewissens weiterempfehlen kann. Danke.