Kinder und Tiere

Auf einer Theaterbühne sind meiner Erfahrung nach bestimmte Charaktere einfacher darzustellen als andere: zu den schwierigsten zählen wohl Kinder und Tiere.

Bevor man solch eine Figur darstellt, muss man meines Erachtens eine wesentliche Entscheidung treffen, ob man sie „realistisch“ oder „abstrakt“ spielt. „Realistisch“ bedeutet, dass man sich in beiden Fällen der Sprache beraubt und auf allen Vieren oder zumindest auf den Knien spielen muss. In vielen kleinen Theatern verschwindet die Figur damit in einen schlechten Blickwinkel und rutscht schnell in nebenfigürliche Bedeutungslosigkeit. Abstrahiert man aber die Figur, spiel man ein Kind im Stehen. So hat man mehr Möglichkeiten in der Bewegung, im Ausdruck und man fühlt sich als Spieler nicht in eine blöde Lage gebrachte. Spricht die Figur aber wie ein Erwachsener, bekommt sie schnell zuviel bissigen Witz und zieht allen Fokus von den „normalen“ Figuren im Umfeld ab. Wirkt sie hingegen im Gestus wie ein Erwachsener, spricht und handelt jedoch wie ein Kind, bekommt sie leicht den Anschein zurückgeblieben zu sein. Ein Dilemma!

Bei Tieren ist es ähnlich, obwohl man sich hier bei der Abstraktion elegant auf einen Menschen mit tierischen Attributen zurückziehen kann. Dabei darf jedoch nicht die dünne Grenze zwischen Karikatur im Sinne der Szene und Überhöhung zum Schaden der Geschichte überschritten werden.

Was also tun? (Diese Überlegungen beziehen sich vorrangig auf das improvisierte Theater.) Wenn es irgendwie möglich ist, sollte man am besten Kinder und Tiere panthomimisch andeuten. Besonders bei „realistischen“ Tiere empfiehlt sich dies als erste Wahl, denn sie lassen sich zum Einen nicht plastisch genug nachbilden und zum Anderen werden sie unter diesen Umständen keine Dialogszene halten (Und selbst wenn, kann man hier immer noch auf eine Stimme aus dem Off zurückgreifen.)

Bei Kindern ist die Entscheidung schon ungleich schwerer, sie können natürlich sprechen und selbstverständlich auch die Hauptrolle übernehmen. Was also tun? Ich habe ehrlich gesagt keine Lösung für diese Frage. Das führte bei einer der letzten Aufführungen sogar dazu, dass ich zwar ein vierjähriges Kind spielen sollte, wir uns aber nur langsam an dessen Geburt herangearbeitet haben. Daher auch dieser Blogpost, denn wo sollte man besser seine offenen Überlegungen ablegen, als im Weblog.

2 Gedanken zu „Kinder und Tiere

  1. Gute Gedanken!
    Zu Kindern: Es hängt davon ab, ob es um das Kind geht. Ob das Kind die Hauptrolle spielen soll. Das ist zumindest dann problematisch, wenn es ein Kleinkind ist. Denn der Held (=Protagnoist) muss ja vor moralisch relevanten Entscheidungen stehen. Also ernsthaft spielen und ein Mindestalter sollte es schon sein. Ansonsten gibt’s natürlich noch die von dir schon angedeutete Peanuts-Option – Kinder verhandeln philosophische Themen ernsthafter als die Erwachsenen. Abgesehen davon spricht natürlich nichts dagegen, mal ein Kleinkind erscheinen zu lassen, wenn es denn eine Nebenfigur bleibt. Dein Beispiel klingt nach einem typischen Zuschauervorschlag. Wie alt soll der Protagonist sein? – 4 Jahre, hahaha. Würde ich in der Regel höflich ablehnen oder durch die Frage einschränken.
    Tiere: Als Illustration finde ich es OK, über die Bühne zu hoppeln, fliegen, springen usw. (abhängig von der von dir beschriebenen Bühnensituation). Wenn sie eine Hauptrolle spielen, wie etwa in Reineke Fuchs, dann ist das ganze sowieso parabelhaft; da würde ich die Tiere sowieso aufrecht spielen, mit einem Schuss Tierinspiration.

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  2. Also was ich zumindest ohne große Impro-Erfahrung bestätigen kann ist, dass Tiere und Kinder auch im echten Leben zu den großen Herausforderungen gehören 🙂

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