Improvisation und Geschichte

Improvisiertes Theater birgt immer die Gefahr, dass man sich an Inhalte wagt, die man nicht zu bewältigen weiß. Zum einen sind das Inhalte, die immer gefährlich sind, weil sie weit unter der Gürtellinie eines durchschnittlichen Publikums liegen. Da sei nicht nur an Geschmacklosigkeiten gedacht, sondern an die gesamte Bandbreite menschlicher Abgründe. Zum anderen sind dies Inhalte, die nah an der Realität liegen, wie historische Ereignisse. Hier kann man zwar genauso die Gefühle von Menschen verletzen, jedoch ist die falsche Darstellung nur dann bühnen reif, wenn es sich um eine gelungene Persiflage handelt. Doch wirklich lustig kann man sich wiederum nur über etwas machen, das man auch gut kennt. Hier scheitern leider die meisten Improspieler, da es ihnen bei der unendlichen Themenvielfalt am unendlichen Sachverstand fehlt.

Am 9. November hatte ich das Vergnügen, einem musikalischen Abend beizuwohnen, der um das Thema deutsche-deutsche Teilung kreiste. Improvisatorisch wurden die Lieder aus der Vor- und Nachwendezeit von den Changeroos, die mit ein paar geschickt ausgewählten Szenen etwas DDR-Alltag auferstehen ließen, begleitet. Die verwendeten Spiele ließen die Frage nach historischer Wahrheit nicht aufkommen und vermittelten den Zuschauern klar eine humoristische Distanz. Was für solch einen Rahmen und Abend auch völlig in Ordnung ist.

Bei mir blieb aber die Frage, wie kann man es schaffen, sich mittels Improvisation eines historischen Themas anzunehmen? Wie ist es möglich historische Fakten und freies Spiel zu verknüpfen? Wenn man dafür einen unterhaltsamen Weg findet, kann man die Improvisation sicher auch als didaktisches Mittel einsetzen.

3 Gedanken zu „Improvisation und Geschichte

  1. Hi Thomas, das finde ich ziemlich spannend: wie verbindet man Impro mit historischem Material. Ich stimme Dir voll zu wenn Du den teilweise fehlenden Wissensstand bemängelst. Sehr oft ergehen sich die Akteure dann in oberflächlichen Klischees. Das ist zwar vielleicht kurz lustig, vor allem weil man im passenden Moment das vorgesetzt bekommt was man erwartet hat. Nachhaltig aber ist doch das, was einen profunden Kenntnsstand der Verhältnisse durchblicken lässt und der Zuscher nicht das Gefühl hat alles Pulver sei schon verschossen – im Gegenteil: da ist noch mehr drin.
    Gruß!

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  2. Hallo Robert, Du hast völlig recht und meine Gedanken kamen natürlich auch nicht von ungefähr: Es gab ein sehr nettes Angebot an mein Improprojekt ZWIEBELFISCH (http://zwiebelfisch-theater.de) vom DDR Museum in Berlin. Sie wollten gern, dass wir bei Ihnen im Rahmen des Veranstaltungsprogramms improvisieren. Um aber genau solch eine Verpulverung von oberflächlichen Klischees zu vermeiden, haben wir uns ein Format ausgedacht, dass zum einen die Freiheit der Improvisation erhält und trotzdem einen didaktisch-wissenschaftlichen Anspruch bietet. In diesem Format werden wir mit einem Historiker zusammen auftreten, der zum einen Vorgaben bei Bedarf erklärt und zum anderen im Anschluss an Szenen diese kommentiert. Dass kann von der Korrektur bis zum Kommentar reichen. Wir haben dann die Möglichkeit anhand dieser Hinweise und Informationen z.B. die Szene nochmals aus einem anderen Blickwinkel oder mit einem anderen Ausgang zu spielen. Ich bin sehr gespannt, wie das werden wird, erwarte mir aber sehr viel von dieser Möglichkeit. Premiere ist am 21. Januar 2010 sein im DDR Museum.

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  3. Hi Thomas, wie cool: erst Impro, dann die korrekte historische Bearbeitung und dann noch mal die Szene! Wird bestimmt ziemlich lustig, vor allem wenn Ihr ziemlich von der Warheit abweicht. Lass uns wissen, wie die Vorbereitung mit einem Historiker läuft, der ja vielleicht nicht auf einer Improbühne zu Hause ist!! Ein tolles Experiment auf jeden Fall und schön, dass sich jemand auch mal über die Verantwortung von Theater zur Historie Gedanken macht! Gruß!

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