Erwärmen und Vorbereiten

Jeder Mensch ist anders, sicher, aber ich stelle hier einfach frech die These auf: Für eine professionelle künstlerische Performance braucht man eine gewisse direkte Vorbereitung (Erwärmung). Musiker spielen sich ein und Schauspieler erwärmen sich. Es gibt auch Leute, die behaupten, es wäre nicht so wichtig, jedoch stelle ich dann hinterher oft einen Leistungsschwäche fest. (Aus dem Improvisationstheater kenne ich einige schlechte Beispiele.)
Für mich habe ich festgestellt, dass ich eine fast 2stündige Vorbereitungszeit brauche. Dann habe ich die Zeit mich geistig, körperlich und stimmlich aufzuwärmen. Besonders für die Improvisation muss man sich auf JEDE Eventualität vorbereiten.
Mein kleines Programm besteht aus Dehnen, Lockern, warm Kneten
und Laufen (am liebsten über die Bühne). Dann folgt Assoziiren, Reimen und Fingerübungen im Storytelling. Abschließend noch eingrouven mit dem Musiker und Lieder zu jeder Gemütslage singen.
Leider wird mein Programm oft von äußeren Umständen unterbrochen, sonst würde es vielleicht nur 80-90 Minuten benötigen. Habe ich es aber absolviert, kann an einem Abend kaum noch etwas schief gehen.
An dieser Stelle würde mich daher interessieren, liebe Kollegen, was Ihr so zur Vorbereitung macht und wie lang es mindestens dauert?

7 Gedanken zu „Erwärmen und Vorbereiten

  1. Ich fange beim Aufstehen an. Ob ich morgens oder abends, ob mittags oder nachts auftrete, ich frühstücke schon ganz anders. Dann packe ich meine Sachen, die für jeden Auftritt anders sind. Und dann mache ich alle Dinge irgendwie anders, bewusster ist das falsche Wort, anders bewusst. Wenn ich singen muss, singe ich mich bereits daheim ein, da ich nicht immer am Auftrittsort die Möglichkeit habe. Wenn ich sprechspiele, gehe ich eine Stunde vor Vorstellungsbeginn auf die Bühne, sofern möglich, checke meine Requisiten und zelebriere meine Anwesenheit auf der Bühne. Ich mache einige Übungen, die mir von einer meiner Sprecherziehungslehrerinnen beigebracht wurden, und dann bin ich einfach nur gespannt. Von außen betrachtet komme ich, reisse meinen Auftritt ab und gehe wieder (oder feiere meistens danach noch was), aber jeder Auftrittstag ist für mich ein besonderer Tag.

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  2. Bei mir läuft es ähnlich ab. Schon zu Hause stimme ich mich innerlich auf die Rolle ein, die mich erwartet. Am liebsten schon im Kostüm (es ist wie die haut der Rolle, in die schlüpfe) betrete ich die Bühne ca. 1 Stunde vor der Vorstellung. Ich dehne zärtlich meine Muskeln, mache mich und meine Stimme warm und gehe dabei schon Momente des Stücks durch. Ich nehme den typischen Bühnengeruch (den ich liebe!) in mich auf und streife innerlich die verschiedenen emotionalen Punkte der Figur. Dann gehe ich ein paar Szenenausschnitte durch, gehe Raumwege ab, spreche Textpassagen. So gewinnt die Figur immer mehr Raum in mir. Damit breitet sich eine innere Ruhe und Wärme aus, die mich den Beginn der Vorstellung kaum erwarten lassen… Herrlich! Ich liebe meinen Beruf!

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  3. Also bei mir kommt’s wie bei Judith drauf an, was mich an dem Tag erwartet.
    Bei einem Vorsprechen/Vorsingen versuche ich mir, wenn es geht, den ganzen Tag frei zu nehmen und etwas Schönes zu unternehmen..lustigerweise hat sich bei mir ins Schwimmbad gehen als sehr beruhigend erwiesen- oder ein langer Spaziergang in die Natur- Erdung ist mir an diesen Tagen einfach besonders wichtig.
    Wenn ich weiß, dass ich bereits morgens singen muss, stehe ich mindestens 3-4 Stunden vor dem Termin auf- sonst ist meine Stimme nicht wach.
    Bei „normalen“ Vorstellungen oder Premieren versuch ichs mir einfach generell vorher gut gehen zu lassen, evtl. mich mittags ein halbes Stündchen aufs Ohr zu legen, genug zu trinken, nicht zu üppig zu essen. Ggf. zu Hause einsingen ( am liebsten schon morgens unter der Dusche und nebenbei meinen täglichen morgendlichen halben Liter warmes Wasser trinken ;-))
    Auf alle Fälle muss ich rechtzeitig im Theater sein- ich mag diese Hetzerei nicht. Ich brauch Zeit zum Ankommen, gemütlich umziehen, schminken… Dann werden Requisiten kontrolliert, Dehn-, Zentrierungs- und Sprechübungen gemacht.
    Wenn ich das Stück noch nicht oft gespielt habe, gehe ich auch die Wege und den Text nochmal auf der Bühne durch.
    Ansonsten nehme ich mir gerne die Zeit, meinem Spielpartner, dem ich als erstes auf der Bühne begegne, für ein paar Momente wirklich ruhig in die Augen zu sehen, bis ich ihn spüre und ihn ganz an mich ranlassen kann- leider machen das nicht alle mit.
    Auf jeden Falll mag ich diese Rituale hinter der Bühne…uiuiuiu, mich packt die Spiellust!!!

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  4. Mein Gesngslehrer sagte, Stimmbänder sind Muskeln, die man trainieren muß. Und insofern spreche/singe ich mich so gut wie nie ein, wenn ich im Training bin.
    Ich checke, ob die Randschwingungen frei sind und das wars!

    Bemerkenswerter Weise hatte ich noch nie (drei Mal auf Holz geklopft)irgendwelche Probleme mit meinem Stimmapparat. Und mußte bisher auch noch nie brüllen, um im Publikum verstanden zu werden (alles eine Frage der Atemtechnik? ;-))

    Körperliches Warmmachen fällt bei mir flach. Das würde sich ändern, sollte ich mal irgendetwas mit akrobatischen Einlagen spielen, war aber bisher nicht der Fall.

    Ich gehe gerne 2 Stunden vor Vorstellungsbeginn ins Theater (ich bin immer dankbar für eine frühe Maskenzeit) und stimme mich ein, trinke einen Kaffee in der Kantine, klöne im Konver… meistens gehe ich meinen Text durch um mich gedanklich auf die Vorstellung einzustimmen. Und je nach Kollegen mache ich das auch gerne gemeinsam.

    Die große Sammlung/Konzentration findet bei mir kurz vor dem Auftritt statt. Ich bin niemand, der in der Gasse rumblödelt und dann auf die Bühne geht… das ist der einzige Punkt an dem ich keinen Spaß verstehe.

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  5. Ich muss gestehen: Ich widme dem Aufwärmen oft zuwenig Zeit. Meistens, weil ich bei Auftritten auch viel Organisation mache und mich immer noch um dieses und jenes kümmere. Ist der Musiker da, steht das Instrument, Soundcheck erledigt, Licht eingerichtet, wann machen wir Pause, wann Einlass, haben alle einen Ablaufplan und so weiter. Und auf einmal sind nur noch 20 Minuten bis zur Show.
    Ich habe aber auch festgestellt, dass ich auch mit wenig Warmup gut spielen kann. Aber das klappt nicht immer und ist von der allgemeinen Stimmung abhängig.
    Und ich brauche in den Minuten vor der Show eine kompromisslos positive Stimmung in mir und um mich herum. Da will ich von niemandem hören, dass er sich nicht so gut fühlt oder nervös ist. Oder Gemeckere, dass die Anmoderation ja wieder viel zu lange sei – da will ich mich nur mit positiver Energie aufladen.

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  6. Ich finde, das ist ein sehr interessantes Thema. Und ich denke, irgendeine Art der Vorbereitung ist immer nützlich. Und sei es, dass man kurz meditiert. Selbst ein fokussiertes Gespräch kann zum Aufwärmen beitragen. Die andere Seite der Medaille ist natürlich, dass man sich auch ÜBERaufwärmen kann: Die Energie wird verschleudert und für die Show bleibt nicht viel übrig. Zwei Stunden halte ich für ziemlich viel. Und wenn man dann noch unterbrochen wird, ist der Warm-Up-Effekt oft schon wieder kaputt. Ich denke, eine halbe Stunde gemeinsamen Aufwärmens reicht oft aus, wenn man sich sicher sein kann, da nicht gestört zu werden. „Die heilige Zeit“, wie eine Kollegin es mal formulierte, da dürfen auch Techniker nicht dazwischen tröten. Außerdem glaube ich, dass es auch gut ist, immer mal wieder das Warm Up zu variieren, denn sonst verliert es die Frische-Verbindung zum Auftritt. Ich kenne aber auch Gruppen, die völlig ohne Warm Up auftreten und das auch gut machen. Ich denke, einmal im Jahr übers Warm Up nachdenken und ggf. nachjustieren, kann nicht schaden.

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  7. Liebe Kollegen, vielen Dank für Eure persönlichen und so kontroversen Kommentare. Sie haben mir viel zu denken gegeben. Besonders die Gemeinsamkeiten sind sehr spannend.

    Mein Fazit ist nun, dass ich mir meinen Vorbereitung nicht nehmen lasse, aber weiter justiere und ausprobiere was gut für mich ist.

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