Versuch über eine sachliche Kritik: Hier nun die versprochene Besprechung des Stückes „Der unpraktische Arzt oder Die Praxis am Ende des Brückenbogens“, dass ich am Samstag 19. Januar 08 im Theater Engelbrot und Spiel sah und hörte.
Die Handlung, so wie ich sie erfasst habe: Ein Arzt findet in seinem Behandlungszimmer einen schwer atmenden oder schlafenden Patienten vor. Unvermittelt beginnt er mit ihm zu sprechen und hört die nächsten eineinhalb Stunden auch nicht mehr damit auf. Ungeachtet ob das Gespräch eine Antwort des Patienten oder gar seine aktive Mitwirkung verlangt, redet der Arzt einfach weiter. Der Patient kann aber auch nicht antworten, da er in diesem Einpersonenstück eine Puppe ist, deren Brustkorb sich mechanisch hebt und senkt. Man weiß also nicht, warum dieser Arzt nun spricht und spricht. Alle Krankheiten des Patienten aufzählt und wirklich in jedem Satz eine Wortwitz unterzubringen versucht. Es passiert einfach nichts. Aber es ist auch nicht die absurde Leere von Beckett die da heraufbeschworen wird – dieses Warten auf ein Geschehen in einer ereignislosen Welt. Dieser Arzt, Dr. Alfons Afons, ist in ständiger Bewegung – er rollt auf seinem Bürostuhl die schräge Bühne herunter, malt auf seinem Laptop an die Wand gebeamte Bilder, telefoniert mit ominösen Anrufern, indem er sein Handyklingeln vom Diktiergerät abspielt oder läuft mal auf und ab. Und dazu strömt permanent der Text, aber nicht stark, nicht bedrohend, nicht nuanciert oder intoniert, einfach nur gleich tönend, gleich bleibend, gleich klingend von Atemzug zu Atemzug. Es wurde aber von der Bühne aus auch nicht der Versuch unternommen uns, die Zuschauer, mitzunehmen, uns mit Energie anzustecken oder uns zumindest eine kleine theatrale Verwandlung irgendeiner Art miterleben zu lassen.
Doch ich will hier nicht ungerecht urteilen, denn es gabt Lacher im Zuschauersaal. Bei einigen fällt die Saat der stetig gestreuten Wortwitzigkeiten auf einen humorreichen Boden. Mein Humor war eindeutig zu vertrocknet, die Saat wollte nicht aufgehen, ich konnte nicht lachen, nicht lächeln, nicht einmal grinsen. Ich fühlte nur, wie mein Leben mir zwischen den Fingern zerrinnt – was sicher auch eine besondere Erfahrung eines Theaterabends sein kann…
Nach einer Stunde (ungefähr) übermannte mich im sehr kühlen Theater immer wieder der Schlaf und ich konnte mich dem Rauschen der Worte für ein paar Momente entziehen – vielleicht waren es genau diese, die mir zur Entschlüsslung des großen Ganzen nun fehlen. Doch auch kein Anderer konnte mir den Schlüssel sagen, das Geheimnis verraten.
Die Theaterwerbung zitiert aus der Kritik der Berliner Zeitung: Nach eineinhalb Stunden ohne Punkt und Komma taucht man wohlbehalten und fröhlich staunend auf aus dem Wortparalleluniversum des Wolfgang Krause Zwieback. Aufgetaucht bin ich, aber wohlbehalten und fröhlich fühlte ich mich aus elementar anderen Gründen…
Danke, vor allem deshalb, weil man sehr gut erkennen kann, woran du gelitten hast, auch und gerade vor der Folie der Kritik aus der Berliner Zeitung.
Und mach dir keine Sorgen wegen deines „Verrisses“, Rezeption von Kunst ist immer inter-subjektiv, es gibt keine Objektivität – auch das macht der konterkarierende Kritikersatz aus der Berliner Zeitung sehr anschaulich.
Im Übrigen wird, wen der Theater-„Zwieback“ trotzdem interessiert, auch hingehen! Vielleicht ja gerade, weil er deine Kritik gelesen hat und sich selbst ein Urteil bilden will!
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